Vor allem in den Sommermonaten, wenn sich viele
Menschen in der Fußgängerzone, im Einkaufszentrum oder in Cafés tummeln,
zieht es sie nach draußen: „Klemmbrett-Betrüger“, die arglose Passanten
mit einer gefälschten Spendenliste ansprechen und behaupten, für einen
gemeinnützigen Zweck zu sammeln. Hier ist Vorsicht geboten – denn
schnell gelangt nicht nur das gespendete Kleingeld, sondern gleich der
gesamte Inhalt der Geldbörse oder das teure Smartphone in die Hände der
Betrüger. Wie es so weit kommt, wer die Täter sind und wie Bürgerinnen
und Bürger der Betrugsmasche ausweichen können, erklärt Klaus Tigges vom
Bochumer Kriminalkommissariat Kriminalprävention / Opferschutz.
Die kriminelle Masche
Das Vorgehen der Täter ist im Prinzip immer gleich.
Es gibt verschiedene „Maschen“, die sich ähneln und alle über ein
geschicktes Ablenkungsmanöver funktionieren. Die gängigste Methode ist,
Passanten auf der Straße oder in der Fußgängerzone anzusprechen. Auch
Einkaufszentren und Supermärkte sind beliebte Orte. Die
Klemmbrett-Betrüger tauchen meistens in kleinen Gruppen auf, von denen
eine Person ein Klemmbrett mit einer Spendenliste bei sich trägt. Die
Gruppe behauptet, für einen gemeinnützigen Zweck oder eine unbekannte
Hilfsorganisation zu sammeln. „In der Regel stehen schon zwei bis drei
gefakte Eintragungen auf der Spendenliste, die den Anschein erwecken
sollen, dass man nicht der Erste ist und stattdessen denkt, aha, da wird
schon fleißig gespendet!“, so Tigges.
Sobald ein Passant gefunden ist,
der bereit ist zu spenden und seine Geldbörse aus der Tasche holt, wird
er mit besagtem Klemmbrett abgelenkt, indem ihm das Formular erklärt
oder er gebeten wird, seinen Namen auf die Liste zu schreiben. Diesen
Moment der Ablenkung nutzt ein anderer Täter der Gruppe, um blitzschnell
mehrere Geldscheine aus dem Portemonnaie des Opfers zu ziehen oder
andere Wertgegenstände zu entwenden. Die Klemmbrett-Betrüger entscheiden
spontan wie weit sie gehen, je nachdem, wie sich das Opfer verhält und
ob die Gelegenheit günstig ist. „Manchmal geben sie sich mit der
illegalen Spendensammlung zufrieden. Wenn es die Situation zulässt,
kommt dann zusätzlich das Klemmbrett als Sichtschutz zum Einsatz, um an
noch mehr Geld zu kommen“, erklärt der Kriminalhauptkommissar.
Klemmbrett-Betrüger halten in der Fußgängerzone bevorzugt nach älteren
Menschen Ausschau, die grundsätzlich als spendenwilliger gelten und oft
leichter abzulenken sind – prinzipiell kann es aber jeden treffen. Eine
Alternative zu den klassischen Klemmbrett-Betrügern sind die so
genannten „Rosenverschenker“. Für die Rose, die man angeblich geschenkt
bekommen hat, wird, sobald man sie angenommen hat, massiv eine Spende
eingefordert – teilweise wieder verbunden mit Gelbörsen- oder
Handydiebstahl. „Spenden Sie, werden Sie als Dank dafür häufig freudig
umarmt und merken währenddessen natürlich nicht, wenn Ihnen das
Portemonnaie aus der Jackentasche gezogen wird“, warnt Tigges.
Betrügerische Spendensammler
Vorsicht an Außentischen von Cafés und Lokalen
Häufig gehen Klemmbrett-Betrüger gezielt auf
Menschen zu, die in Straßencafés oder an Außentischen von Restaurants
und Gaststätten sitzen. Hier haben sie es vor allem auf hochwertige
Smartphones abgesehen, die achtlos auf den Tischen abgelegt worden sind.
Auch hier wird das Klemmbrett als Sichtschutz verwendet, um in einem
unbemerkten Moment an das Smartphone zu gelangen. „Gerade draußen können
die Täter schnell wieder in der Menschenmenge verschwinden, bevor der
Verlust auffällt“, meint Tigges. „Anders als beim Schlendern durch die
Fußgängerzone haben es die Betrüger hier vor allem auf jüngere Opfer
abgesehen, die mit den neusten mobilen Geräten ausgestattet sind.“ Auch
wenn der Trend der Betrugsmasche derzeit eher zurück geht und die
Fallzahlen insgesamt gesunken sind, sollte man wachsam bleiben. „Wie
viele Klemmbrett-Betrüger unterwegs sind, hängt teilweise von der Saison
ab. Man muss abwarten, wie sich der Trend im Laufe des Sommers
weiterentwickelt. Wenn die Leute wieder öfters draußen sind und in der
Fußgängerzone Cafés und Lokale bevölkern, kann es gut sein, dass die
Fallzahlen wieder steigen“, vermutet Tigges.
Am Geldautomaten
Nicht selten tauchen Klemmbrett-Betrüger auch an Geldautomaten auf. Die Opfer werden gezielt ausgesucht – nachdem die PIN
eingegeben wurde, folgt das Ablenkungsmanöver mittels Klemmbrett oder
Flyer. Die Leute werden dabei teilweise massiv vom Automaten
weggedrängt. Entweder wird „nur“ das frisch gezogene Geld aus dem
Geldschacht gestohlen oder es wird blitzschnell der Höchstbetrag
eingegeben. „Es steht deshalb die Forderung im Raum, alle Geldautomaten
so einzustellen, dass erst der Geldbetrag eingegeben werden muss und
anschließend die PIN,
damit der Betrüger den Betrag nicht noch schnell selbst erhöhen kann.
Leider sind die Geldautomaten immer noch unterschiedlich programmiert,
was diesen Ablauf betrifft“, bemerkt Klaus Tigges.
Das Schicksal der jungen Täter
Bei den Tätern handelt es sich meistens um junge
Frauen und Männer südosteuropäischer Herkunft, die in der Regel nicht
älter als 25 Jahre alt und in vielen Fällen noch minderjährig sind.
„Beim Betteln um Spenden sind es häufiger Mädchen, die auf die Passanten
zugehen, während wir es beim Bedrängen am Geldautomaten eher mit
männlichen Tätern zu tun haben – hier geht es ja auch um den höheren
Kraftaufwand“, erklärt Tigges.
Es liegt außerdem die Vermutung nahe, dass die
jungen Täterinnen und Täter von Hintermännern – möglicherweise
Familienmitgliedern – gesteuert werden, die sich versteckt halten und
die Mädchen und Jungen zu den Betrugstaten zwingen. „Es ist schwierig,
in diesem Bereich genaueres festzustellen. Die Aussagebereitschaft der
festgenommenen Täter ist erwartungsgemäß nicht sonderlich hoch“, so
Tigges. „Nach der Vernehmung
werden die Jugendlichen an eine Jugendschutzstelle übergeben und sind
danach relativ schnell wieder verschwunden.“ Vor allem wenn sie noch
strafunmündig sind, seien weitere polizeiliche Maßnahmen schwierig.
Wie man sich am besten schützen kann
„Das oberste Gebot lautet in jedem Fall ‚Abstand
halten!‘ und schon gar nicht die Geldbörse rausholen“, empfiehlt Klaus
Tigges. „Es ist immer besser, über den schriftlichen Weg von zuhause aus
an eine bekannte Organisation zu spenden. Wenn man dennoch gerne auf
der Straße einem armen Menschen ein paar Münzen schenkt, sollte man
vorbereitet sein und für solche Fälle loses Kleingeld in Hosen- oder
Jackentasche bereithalten.“
Wird man massiv bedrängt, etwa am Geldautomaten, sei
es wichtig, Öffentlichkeit herzustellen und für Aufmerksamkeit zu
sorgen, indem man beispielsweise Bankangestellte oder andere Kunden ganz
gezielt anspricht und um Hilfe bittet. „Senioren wird generell
empfohlen, beim Geldabholen am Automaten eine Vertrauensperson
mitzunehmen – vor allem bei größeren Geldbeträgen. Diese kann den
Vorgang überwachen und schreckt mögliche Täter ab.“, rät der
Kriminalhauptkommissar.
KL (25.04.2014)